Sports Utility Bike aka THESUB
SUB statt SUV!
Lastenrad
Kindertransport
Die Idee
Bei allen Long-John-artigen Lastenrädern wird erst ein möglichst tiefer Rahmen im Bereich der Ladefläche gebaut, um dann wieder nach oben zu bauen um von oben eine Gabel zu halten. Wenn der Rand der Ladefläche nicht tragend gebaut wird (was recht aufwändig ist), ist diese Konstruktion unnötig umständlich. THE SUB geht einen anderen Weg, indem der Rahmen tief unten bleibt und das Vorderrad an einem Achsschenkel angebracht wird.
Eigentlich wäre so etwas für den Eigenbau ohne sehr gute Ausrüstung unmöglich, hätte man nicht zufällig die gesamte vordere Baugruppe inklusive Felge, Reifen und hydraulischer Scheibenbremse von einem Roller zur Hand. Italjet ist seit 2002 pleite, das heißt GERADE IM MOMENT landen die ganzen Zweitaktstinker wo wir postfossil mobilen Menschen sie gerne sehen: auf dem Schrott. Von diesen Fossilien nehmen wir uns was wir brauchen:
Die Vorderschwinge
So ein Roller wiegt seine 100 kg und ist zugelassen für zwei Erwachsene, mit denen er so ca. 60 km/h schafft, stärkere und aufgebohrte noch mehr. Nimmt man diese Zahlen als Grundlage, kommt man zum Schluss: für ein familientaugliches Lastenrad reicht das von der Auslegung allemal. Wir suchen also eine Vorderschwinge eines Italjet Formula oder Italjet Dragster. Bei eBay wird so etwas ab ca. 50 Euro gehandelt, je nach Zustand und abhängig davon, ob Rad und Bremse mit dabei sind. Einige Händler rufen dabei auch echt freche Preise auf, das sollten wir nicht mit Kauf belohnen...wir suchen einen frischgebackenen 18-jährigen Autobesitzer, der seinen alten Roller zerlegt und zu Geld macht um den Sprit zu bezahlen. Das braucht unter Umständen etwas Geduld. Von dieser Schwinge gibt es zwei Varianten, (abhängig von Baujahr oder Motorisierung):
Bei der ersten, etwas schwereren Variante ist das Profil des Arms, der das Vorderrad umgreift abgerundet rechteckig und der runde Querholm hinter dem Vorderrad hat 50mm Durchmesser. Hier ein Bild nach dem Einbau in den Lastenradrahmen:
Die zweite, leichtere Variante hat einen aus zwei Hälften verschweissten Arm mit trapezartigem Profil und der Querholm ist nur 40mm stark. Hier ein Bild im Originalzustand:
Der Rest, also Radaufnahme, Felge usw. sind von der Geometrie her identisch. Diese Teile sind aus Aluminiumguss und erstaunlich leicht, das Gewicht bringen die Stahlteile: die Schwinge, der massive Achsschenkel und die großzügig bemessene Bremsscheibe. Auch der 120er Reifen hat es in sich, zudem rollt er recht schwer. Wer sehr gut ausgestattet ist und es mit dem Upcycling nicht so genau nimmt, könnte sich eine Spezialfelge für einen 16" Schwalbe Big Apple fräsen, der noch gut in die Schwinge passt. Allerdings liegt der Rahmen dann vorne etwas tiefer und ich weiss nicht ob die Lenkgeometrie dann noch stimmt.
Das Mountainbike
Wir brauchen ein 26" Mountainbike mit Stahlrahmen. Nichts Edles, weil der höher vergütete Stahl eventuell Probleme bei der Verarbeitung macht, aber auch nichts ganz Schlechtes, schliesslich soll es halten. Sehr gut ist, wenn die Schaltzüge am Oberrohr verlegt sind, dann müssen wir sie nicht umlegen, weil das Hauptrohr die übliche Zugverlegung unter dem Tretlager unmöglich macht.
Das Hauptrohr
Wir suchen ca. 1 m Stahlrohr von mindestens 50x2. Wenn der Rahmen schutzgas- oder sogar autogengeschweißt werden soll und der Schweißer sein Handwerk versteht, ist es egal ob der Querholm der Schwinge kleiner ist als das Hauptrohr. Ist der Schweißer Laie oder wird hartgelötet, sollte diese Verbindung unbedingt gesteckt werden. Das Hauptrohr muss dann mindestens 10mm mehr Durchmesser haben als der Querholm.
Die Rahmengeometrie
Die Rahmengeometrie ist letzlich egal, wenn einige kritische Punkte beachtet werden:
1.) Die Mittelachse des Querholms muss 166 mm über der Fahrbahn liegen, denn nur dann stimmt der Nachlauf des Vorderrades. Ein 50er Querholm wie in der folgenden Zeichnung muss also beim Schweissen 141 mm aufgeklotzt werden.
2.) Der Rahmen sollte so kurz wie möglich sein, denn der Einschlagswinkel des Vorderrades ist geringer als bei einer Gabel und der Wendekreis mit 6 - 7 m in der Stadt nur noch gerade akzeptabel.
3.) Das Hauptrohr kann im Bereich der Ladefläche nicht kürzer sein als dargestellt, da sonst die Spurstange der Lenkung mit dem Querholm kollidiert.
4.) Das Hauptrohr sollte nicht wesentlich länger sein, wenn es nicht auch deutlich dicker als 50 mm ist.
5.) Am elegantesten sieht es aus, wenn das Hauptrohr mit den unteren Hinterbaustreben eine Linie bildet.
6.) Wenn Lenkerrohr und Sitzrohr parallel sind, können die Rohrverbindungen des Mountainbikes wiederverwendet werden und die Fahreigenschaften sind weniger gewöhnungsbedürftig als bei einem senkrechten oder gar nach vorn geneigten Lenkerrohr, weil der Lenker sich in der gewohnten Ebene bewegt. Außerdem sieht es besser aus! Man verliert dadurch etwas Länge in der Ladefläche. Da man dank des fehlenden Steuerkopfrohrs bei dem SUB aber auch den Raum über dem Vorderrad praktisch nutzen kann, ist das verschmerzbar.
7.) Das Oberrohr sollte so kurz wie möglich sein um Länge zu sparen und den Wendekreis nicht noch größer zu machen. Die angegebenen 448mm kommen für einen ziemlich durchschnittlichen knapp 1,80 großen männlichen Menschen hin, ohne dass ein extrem langer Vorbau verwendet werden muss. Wer größer ist oder eine sportliche Sitzposition bevorzugt und Kinder in Fahrtrichtung transportieren will, sollte den Mountainbikerahmen nicht kürzen und hat sich auch noch zwei Schweiß- bzw. Lötstellen gespart.
Hier die Geometrie des ersten SUB:
Der Rahmenbau
(Weitere Bilder vom aktuellen Bau des zweiten SUB folgen demnächst)
1.) Wir kürzen den Mountainbikerahmen(optional)und arbeiten das Steuerkopfrohr des Mountainbikes zu zwei Muffen um, die das neue Lenkerrohr aufnehmen.
2.) Wir fräsen oder (bohren und feilen) in das Hauptrohr die passenden Durchbrüche für den Querholm, das Lenkerrohr, das Unterrohr und das Tretlager.
3.) Wir stecken Mountainbike, Lenkerrohr und Hauptrohr zusammen und fixieren alles mit einem Lötbock oder Schraubzwingen. Wenn hartgelötet wird, kann man die Reste des Steuerkopfrohres und das neue Lenkerrohr auch gut mit Blindnieten verbinden um einen präzisen Lötspalt zu bekommen. Diese Methode ist auch für die Verbindung von Tretlager und Hauptrohr ratsam, indem man vom Hauptrohr eine Lasche unter dem Tretlager durch und hinter dem Tretlager nach oben anformt und festnietet. Die Nieten können im fertigen Rahmen bleiben oder sie werden nach dem Löten wieder ausgebohrt (z.B. am Lenkerrohr, weil da ja eine Achse durchgeführt werden muss, der die Nietköpfe im Weg wären. Das ist sehr praktisch, wenn der vorbereitete Rahmen vor dem Löten transportiert und dann schnell eingerichtet werden soll. Die Blindnieten können aus Alu sein, sie schmelzen dann weg und die Reste sind leicht zu entfernen. Stahl ist trotzdem vielleicht vorzuziehen, weil es dann zu keiner Verunreinigung der Lötstelle kommt.
4.) Wir verschweißen oder verlöten das gekürzte Ober- und Unterrohr des Mountainbikes, den Mountainbikerahmen mit dem Lenkerrohr, das Hauptrohr mit dem Tretlager (Lagerschalen ins Tretlager schrauben, damit es sich nicht verzieht!) und das Lenkerrohr mit dem Hauptrohr.
5.) Wir schweißen oder Löten unter die Verbindung von Lenker- und Hauptrohr ein ca. 120 mm langes U-Profil (siehe Geometriezeichnung), um diesen kritischen Punkt zu verstärken (optional).
6.) Wir trennen alles von der Schwinge ab, was wir nicht brauchen (vergl. die beiden Bilder der Schwingen oben) und steckenden Querholm der Schwinge in das Hauptrohr.
7.) Wir stellen den Rahmen auf die Räder und unterstützen den Querholm, bis seine Mittelachse 161 mm über dem Boden liegt. Dann verschweißen oder verlöten wir die Schwinge mit dem Hauptrohr.
Der fertig gelötete Rahmen:
Die genietete und gelötete Verbindung von Oberrohr und Lenkerrohr:
Die Verbindung von Querholm und Hauptrohr:
Die Verbindung von Hauptrohr und Lenkerrohr. Bei dem abgebildeten Rahmen gibt es einen wesentlichen Unterschied zur Zeichnung: das Lenkerrohr läuft seitlich am Hauptrohr vorbei und ist mit diesem durch ein kleines Scherrohr (12 x 3) im inneren verbunden. Das Hauptrohr liegt also nicht in Fahrtrichtung sondern schräg nach links. Dadurch wird der Querholm der Schwinge kürzer, der hier nur 40 x 2 ist.
Die Lenkung
Für die Lenkung bauen wir eine Achse aus zwei alten Gabelschäften und einem in sie herein passenden Stück Rohr. Unten wird ein 200 mm langes Stück Winkelprofil oder Rohr als Spurhebel angeschweißt. Diese Achse wird mit den Steuersätzen des Mountainbikes ins Lenkerrohr eingebaut.
An der Radaufnahme des Italjet befindet sich oberhalb der Bremse eine Planfläche mit drei Gewinden, die auch beim Roller zur Übertragung der Lenkbewegungen diente. An diese Fläche wird ein weiterer Spurhebel angebracht. Da es sich bei der Radaufnahme um ein Aluminiumteil handelt ist es empfehlenswert, diesen Hebel in mindestens zwei Bohrungen zu befestigen.
Als Spurstange dient am besten ein Stück Rohr mit aufgeschweißten Muttern und Kugelgelenken. Da die Spurstange in etwa rechtwinklig zu Lenkerrohr und Drehachse des Vorderrades liegt, kann man auch zwei einfache M8 Bolzen verwenden.
Jetzt sieht das ganze etwa so aus:
Die Ladefläche
Als Halterung für die Ladefläche dienen zwei Auspuffschellen auf dem Hauptrohr und eine weitere auf dem Lenkerrohr. Natürlich kann man auch feste Halterungen an den Rahmen schweißen, allerdings ist es ratsam, vorher auszuprobieren, welchen Bewegungsraum die Spurstange beansprucht. Durch die große Länge der Spurhebel bewegt sich die Spurstange nämlich nicht nur vor und zurück sondern auch ca. 60 mm auf und ab!
Die Ladefläche muss deshalb mit einigen Bolzen und Distanzstücken mindestens vorne über das hauptrohr aufgeständert werden. Eleganter sieht es aus, wenn sie insgesamt parallel zum Hauptrohr liegt, also auch hinten aufgeständert wird, aber das kostet wertvolle cm, wenn ein Kindersitz verwendet wird.
Als Ladefläche eignet sich eine Sperrholzkiste oder wie abgebildet ein abgekantetes Aluminiumblech (3mm). Die Ladefläche kann auch gut mit einer Stufe übers Vorderrad verlängert werden, so dass größere Kinder mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen können. Oder man setzt an den tiefsten Punkt eine flache, abschließbare Kiste mit einem Deckel der bis übers Vorderrad reicht und hat dadurch sowohl sicheren Stauraum als auch eine riesige ebene Fläche.
Die Vorderbremse
Die Italjetschwinge hat eine Aufnahme für eine hydraulische Scheibenbremse von Grimeca oder AJP, die wir mit der Schwinge oder getrennt bekommen haben. Es handelt sich dabei um ein KFZ-Bremssystem mit DOT4 Bremsflüssigkeit (nicht Öl!). Da diese Flüssigkeit umweltgefährdend und leicht ätzend ist, wird das System bei der Demontage meistens intakt gelassen und man bekommt Bremsbacken und Bremshebel (Pumpe mit Reservoir) verbunden durch 80 cm Bremsleitung. Wir brauchen leider mindestens 2 m Bremsleitung, bei längerer Ladefläche oder hohem Lenker mehr. Deshalb müssen wir das Bremssystem öffnen, die Flüssigkeit auffangen und (wenn sie noch sauber ist) wiederverwenden oder entsorgen. Die neue Bremsleitung bekommt man bis zu 2 m Länge aus dem Motorrad-Tuning Bereich (kostet als "Stahlflex-Leitung" leider ca. 60 Euro) oder man sucht sich einen Autoschrauber oder Rollerhändler, der etwas Gebrauchtes hat. Achtung, es gibt nicht nur verschieden gekröpfte Anschlüsse an Bremsbacken und Bremshebel, sondern auch konische und ringförmige. Das Befüllen und Entlüften des Bremssystems ist nicht schwierig, es gibt in verschiedenen Rollerforen mehrere gute Anleitungen.
Die Lampe
THE SUB ist erst komplett mit einer RICHTIG FETTEN LAMPE!
Viel Spaß. Über Fotos von Nachbauten freut sich: